Dyskalkulie bei Erwachsenen

Nicht nur unter Kindern und Jugendlichen auch unter Erwachsenen findet sich ein nicht unerheblicher Anteil an Menschen mit besonderen Schwierigkeiten beim Rechnen. Die Problemlage ist eigentlich ganz klar: Wird die Rechenschwäche in der Schulzeit nicht gezielt behoben, dann werden aus rechenschwachen Schülern nun mal rechenschwache Erwachsene.

Im Bereich des Schriftspracherwerbs ist dieses Thema kein Neuland mehr: funktionale „Analphabeten unter Erwachsenen“. Den „mathematische Analphabeten“ unter den Erwachsenen ist bislang wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden. Dabei sind die Auswirkungen auf den privaten und beruflichen Alltag nicht zu unterschätzen. Im Berufsleben wie im privaten Bereich treffen Menschen mit besonderen Schwierigkeiten beim Rechnen auf vielfältige Probleme.

Berufsleben

Bei der Berufswahl spielen Gesichtspunkte eine Rolle wie „Bloß nichts, wo man in der Ausbildung und später bei der Arbeit rechnen muss!“ Und ganz gleichgültig, wie krass die Mathematiknote im Abschlusszeugnis ausgefallen ist, das Vorstellungsgespräch ist auf jeden Fall von der intensiven Hoffnung getragen: „Bitte nur keine Mathefragen!“. „Durchschlängeln“ und „Geheimhalten“ gehören zum Tagesprogramm rechenschwacher Erwachsener.

Doch nicht nur im Beruf, auch im Privatleben stellen sich vielschichtige Hürden ein, denen man alleine nicht gewachsen ist.

Privatleben: Haushaltsführung

Die oftmals notwendige Kontrolle von Kostenabrechnungen, die einen Privathaushalt ereilen (Arztrechnungen, Strom, Telefon etc.), muss zwangsläufig durch „blindes Vertrauen” ersetzt werden. Völlige Ratlosigkeit herrscht bei Prozentangaben, wenn die Bruchzahl und das Rechnen mit Brüchen nicht begriffen wurden.

Für die Vorstellung von Maßeinheiten und das Umrechnen von Größen fehlt jede Grundlage, sofern die Einsicht in das Stellenwertsystem nicht vorhanden ist. Soll die eigene Wohnung renoviert werden, gibt es sofort Hindernisse bei den notwendigen Planungsarbeiten. „Wie viele Rollen Tapeten und wie viele Liter Farbe werden gebraucht? Wie viele m² Teppichboden müssen gekauft werden? 200 m² oder 20 m²?” Das Berechnen von Größen, von Zahlenangaben mit Dezimalkomma, wird für den außenstehenden Betrachter planlos und mit einem heillos falschen Resultat betrieben.

Privatleben: Uhrzeit, Preisvergleiche, Geldbeträge
Durch Dyskalkulie werden Hürden im Berufsleben geschaffen - Illustration zeigt jungen Erwachsenen mit Rechenschwäche-Therapeut

Das Erlernen der Uhr bereitet meist anhaltende Schwierigkeiten. Der digitale Zeitmesser ermöglicht zwar das Ablesen der aktuellen Uhrzeit, aber das Ermitteln von Zeitspannen wird zur totalen Überforderung. Will man zu einer Verabredung pünktlich erscheinen, heißt es frühzeitig von zu Hause starten, denn ein „Zeit-Gefühl” ist nicht vorhanden.

Preisvergleiche von Waren sind solange machbar, wie zusätzlich der Preis für z. B. 100 g ausgewiesen ist. Ansonsten bleiben zur Orientierung nur „Weisheiten” wie „Großpackungen sind günstiger als Kleinpackungen”. Merksätze, die in der Realität häufig gar nicht zutreffen.

Das Abschätzen von Geldbeträgen setzt ein Verständnis von Größenordnungen voraus. In diesem Fall kombiniert mit Euro und Cent, was die Sache zusätzlich erschwert. Zur Alltagsbewältigung wird auf mehr oder weniger kleine Kniffe zurückgegriffen. Der Einkauf wird am liebsten mit Euro-Scheinen oder bargeldlos mit EC-Karte bezahlt.

„Kann man da überhaupt noch was machen? Und ob!”

Durch Rechenschwäche werden Hürden im Privatleben geschaffen. Die vorhandene Unkenntnis wird vielleicht auf geschickte Weise zu kompensieren versucht – die Schwierigkeiten sind dadurch nicht aus der Welt geschaffen. Häufig wird uns die Frage gestellt, ob es nicht längst „zu spät” ist, wenn aus einem rechenschwachen Jugendlichen ein rechenschwacher Erwachsener geworden ist? Kann dann eine lerntherapeutische Intervention überhaupt noch etwas bewirken?

Und ob! Warum denn auch nicht? Die Gründe für das Scheitern in der Mathematik liegen nicht in mangelnder Intelligenz, sondern weil seit der Grundschule, zum Teil seit der Einschulung, wichtige mathematische Grundlagen nicht entwickelt wurden und damit die Voraussetzungen für das Verstehen des Stoffes auf der weiterführenden Schule fehlen. Wenn die Defizite und Fehlverständnisse ausgeräumt werden, können auch diese Erwachsenen verstehen lernen was die Grundrechenarten bedeuten, das dekadische Stellenwertsystem durchschauen, begreifen was Maßeinheiten, Dezimalzahlen und Brüche sind und wie Prozentangaben eingeordnet werden können.

Download Symptomkatalog Mittelstufe

Die Ausprägung der mathematischen Symptome bei Erwachsenen ist den Symptomen der Jugendlichen gleich. Der Symptomkatalog Mittelstufe liegt im .pdf-Format vor. Sie benötigen zum Öffnen des Dokuments z.B. einen installierten Adobe Reader oder ein anderes Programm zum Betrachten von .pdf-Dateien. Den Adobe Reader können Sie kostenlos über die Internetseite des Herstellers downloaden.